Nun hoffe ich, Admin sei an der Tell-Premiere in St. Gallen heute Abend gesehen worden. Gallier sass jedenfalls im Publikum. Die erwarteten Proteste sind ausgeblieben, weil durch die Szenerie klar und prägnant dargestellt ist, dass es keinen Zweifel an der Analogie von Tell, Leibacher, Atta und anderen Akteuren gibt. Dies wird auch durch ein durchdachtes Bühnenbild unterstützt.
Wie im Tell von Schiller gibt es da die obrigkeitlich bis aufs Blut gequälten Bürger, die Freiheitsrechte begehren, aber für alles stets zu feige sind und insbesondere nichts für die Behauptung ihres territoralen Besitzes einsetzen wollen. Sie jammern lieber und singen primitive Lieder. Wer Land will, muss es auch verteidigen können und wollen.
Das Gefeilsche, ob der nach einem Vogts-Totschlag durch Soldaten Verfolgte gerettet werden solle.... Unglaublich! — Nachdem der Arme seine Geschichte auf Verlangen erzählt hatte, liessen ihn alle fallen wie eine heisse Kartoffel, ausser Tell.
Der Tod Gesslers wurde in der Vorstellung durch einen Feigling von hinten mit einem Messer herbeigeführt, inmitten einer sadistischen Quälerei, die Gessler diesmal einer Frau angetan hatte, nachdem er zuvor schon Tell geniesserisch bis auf Blut gereizt hatte (Lies Tell von Schiller [Gift in der Milch]).
Die Art der Lebensbeendung des Gesslers kontrastiert zwischen Tell und Leibacher, und dies macht Samuel Schwarz in der Inszenierung zu recht deutlich.
Leibacher versteckte sich nicht. Schwarz liess den Rachenehmer auf der Bühne eine Weste mit der Aufschrift «Polizei» tragen, wie sie Leibacher anhatte, was nur als Ordnungsmachen-Symbol gedeutet werden kann (Vgl. Bemerkung zum Heimweg weiter unten). Die Identität Leibacher ist der einzige Erfolg der Zuger Regierung: Sie verwandelte dank dieser sein Vermögen in ihre Beute und ebenso inkorporierte sie seine Persönlichkeit, um über ihn triumphieren und ihn brandmarken zu können. Damit ist je nach dem ausgesagt: Zug hat nichts gelernt oder Leibachers Aktion war umsonst. Zumindest ist der Held nicht zum Zeitpunkt seines Todes oder seiner Tat ein Held, sondern wird es erst viel später, wenn viele Fakten verklärt sind.
In Zug ist man jedoch der Meinung, es fehle an der Analogie zwischen Leibacher und Tell. Die Begründung lautet, Gessler habe sagen können «Das war Tells Geschoss». In Zug sei dies nicht möglich gewesen. In der Tat wurden mehrere Bürger vermutet! Das zeigt aber nur, dass die Staatsmaschinerie Zug mehrere Leute aufs Blut gereizt hat. Und insbesondere zeigt es: Die Provokateure wissen ganz genau, wenn sie die Milch frommer Denkart in «gärend Drachengift» verwandeln.
Noch etwas ist zu bedenken: Statistisch gesehen hätte die Schweiz gemessen an der Einwohnerzahl 100 Leibachers, wenn die Machtverhältnisse, die Solidarität unter den Herrschervasallen und die Demütigungslust im ganzen Land so gross wären wie im Kanton Zug. Für eine Essenseinladung mit Gattin von Herrn Regierungsrat Hanspeter Uster pro Jahr fühlt sich der Redaktor Karl Etter (lic. phil.) der dortigen Neuer Zuger Zeitung mit dem Magristraten so inniglich kollegialisiert und verbunden, dass er sich ganz still verhält. Damit ist die Kritikfunktion der Presse als eines der Ventile für Ohnmacht ausser Kraft gesetzt. Am Ende zahlen diese Korruption einige mit dem Leben — aber die Schuld wird auf den Täter transponiert. Die wahren Verursacher sucht man unter den Beschuldigten vergebens.
Auch Tells Aktion war übrigens umsonst. Die Schweizer schlossen sich den drei Staatsgründern, die sich – ach und pfui — nur im Dunkeln treffen konnten, erst, nachdem der König in Königsfelden gekillt war. Die Inszenierung hat dieses Treffen im Dunkeln ganz gut herausgearbeitet.
Die Aufführung im Stadttheater St. Gallen zeigt klar, dass Tells-Taten nicht losgelöst von der vorherigen rücksichtslosen Behandlung durch Machtträger und deren Repräsentanten (Regierende, Soldaten, Polizisten) betrachtet werden können, sei es in der Schweiz, in Irak oder in Afghanistan. Arroganz der Macht rächt sich irgendwann.
Auf meinem Heimweg: Autobahn. Eine PW fährt provokativ 115 km/h. Wir bleiben dahinter. Ein Dritter überholt etwas zügig. Weiter vorne: orange blinkende Lampen auf POLIZEI-Triopanen vor dem Rastplatz. «Aha». Der Überholer wurde in den Rastplatz reingelotst und strassenverkehrspolizeilich behandelt. War es Provokation?! Wie auch? Prävention! So nimmt wieder ein Kreislauf seinen Anfang. Irgendwann ist der betroffene Autofahrer vielleicht so weit, dass er die Welt nicht mehr versteht und sich unterhalb der Obrigkeit ganz unten wähnt. Dann Gnade Gott und Vaterland. Am Himmel stoht es Schtärndli znacht.
Die in der Schule weitergegebene Tells-Geschichte ist insofern problematisch. Wer die Inszenierung gesehen hat und Tell nur als das Anker-Bildli – stolz mit seinem Sohn und der Armbrust – in Erinnerung hat, wird sich im Stadtthetaer St. Gallen geprellt fühlen. Die Bühne zeigt einen gepeinigten und gedemütigten Tell, der Rache schwört, aber auch weiss, dass er sich auf keinen einzigen Eidgenossen wird verlassen können, weil alle zu feige sind. Wohl deshalb wählt er die anonyme Tat und schiesst in der Hohlen Gasse hinter einem Strauch hervor.
Erwünscht wären deutlichere, teils auch stärker bildgestaltende Sprecher.
Wie im Tell von Schiller gibt es da die obrigkeitlich bis aufs Blut gequälten Bürger, die Freiheitsrechte begehren, aber für alles stets zu feige sind und insbesondere nichts für die Behauptung ihres territoralen Besitzes einsetzen wollen. Sie jammern lieber und singen primitive Lieder. Wer Land will, muss es auch verteidigen können und wollen.
Das Gefeilsche, ob der nach einem Vogts-Totschlag durch Soldaten Verfolgte gerettet werden solle.... Unglaublich! — Nachdem der Arme seine Geschichte auf Verlangen erzählt hatte, liessen ihn alle fallen wie eine heisse Kartoffel, ausser Tell.
Der Tod Gesslers wurde in der Vorstellung durch einen Feigling von hinten mit einem Messer herbeigeführt, inmitten einer sadistischen Quälerei, die Gessler diesmal einer Frau angetan hatte, nachdem er zuvor schon Tell geniesserisch bis auf Blut gereizt hatte (Lies Tell von Schiller [Gift in der Milch]).
Die Art der Lebensbeendung des Gesslers kontrastiert zwischen Tell und Leibacher, und dies macht Samuel Schwarz in der Inszenierung zu recht deutlich.
Leibacher versteckte sich nicht. Schwarz liess den Rachenehmer auf der Bühne eine Weste mit der Aufschrift «Polizei» tragen, wie sie Leibacher anhatte, was nur als Ordnungsmachen-Symbol gedeutet werden kann (Vgl. Bemerkung zum Heimweg weiter unten). Die Identität Leibacher ist der einzige Erfolg der Zuger Regierung: Sie verwandelte dank dieser sein Vermögen in ihre Beute und ebenso inkorporierte sie seine Persönlichkeit, um über ihn triumphieren und ihn brandmarken zu können. Damit ist je nach dem ausgesagt: Zug hat nichts gelernt oder Leibachers Aktion war umsonst. Zumindest ist der Held nicht zum Zeitpunkt seines Todes oder seiner Tat ein Held, sondern wird es erst viel später, wenn viele Fakten verklärt sind.
In Zug ist man jedoch der Meinung, es fehle an der Analogie zwischen Leibacher und Tell. Die Begründung lautet, Gessler habe sagen können «Das war Tells Geschoss». In Zug sei dies nicht möglich gewesen. In der Tat wurden mehrere Bürger vermutet! Das zeigt aber nur, dass die Staatsmaschinerie Zug mehrere Leute aufs Blut gereizt hat. Und insbesondere zeigt es: Die Provokateure wissen ganz genau, wenn sie die Milch frommer Denkart in «gärend Drachengift» verwandeln.
Noch etwas ist zu bedenken: Statistisch gesehen hätte die Schweiz gemessen an der Einwohnerzahl 100 Leibachers, wenn die Machtverhältnisse, die Solidarität unter den Herrschervasallen und die Demütigungslust im ganzen Land so gross wären wie im Kanton Zug. Für eine Essenseinladung mit Gattin von Herrn Regierungsrat Hanspeter Uster pro Jahr fühlt sich der Redaktor Karl Etter (lic. phil.) der dortigen Neuer Zuger Zeitung mit dem Magristraten so inniglich kollegialisiert und verbunden, dass er sich ganz still verhält. Damit ist die Kritikfunktion der Presse als eines der Ventile für Ohnmacht ausser Kraft gesetzt. Am Ende zahlen diese Korruption einige mit dem Leben — aber die Schuld wird auf den Täter transponiert. Die wahren Verursacher sucht man unter den Beschuldigten vergebens.
Auch Tells Aktion war übrigens umsonst. Die Schweizer schlossen sich den drei Staatsgründern, die sich – ach und pfui — nur im Dunkeln treffen konnten, erst, nachdem der König in Königsfelden gekillt war. Die Inszenierung hat dieses Treffen im Dunkeln ganz gut herausgearbeitet.
Die Aufführung im Stadttheater St. Gallen zeigt klar, dass Tells-Taten nicht losgelöst von der vorherigen rücksichtslosen Behandlung durch Machtträger und deren Repräsentanten (Regierende, Soldaten, Polizisten) betrachtet werden können, sei es in der Schweiz, in Irak oder in Afghanistan. Arroganz der Macht rächt sich irgendwann.
Auf meinem Heimweg: Autobahn. Eine PW fährt provokativ 115 km/h. Wir bleiben dahinter. Ein Dritter überholt etwas zügig. Weiter vorne: orange blinkende Lampen auf POLIZEI-Triopanen vor dem Rastplatz. «Aha». Der Überholer wurde in den Rastplatz reingelotst und strassenverkehrspolizeilich behandelt. War es Provokation?! Wie auch? Prävention! So nimmt wieder ein Kreislauf seinen Anfang. Irgendwann ist der betroffene Autofahrer vielleicht so weit, dass er die Welt nicht mehr versteht und sich unterhalb der Obrigkeit ganz unten wähnt. Dann Gnade Gott und Vaterland. Am Himmel stoht es Schtärndli znacht.
Die in der Schule weitergegebene Tells-Geschichte ist insofern problematisch. Wer die Inszenierung gesehen hat und Tell nur als das Anker-Bildli – stolz mit seinem Sohn und der Armbrust – in Erinnerung hat, wird sich im Stadtthetaer St. Gallen geprellt fühlen. Die Bühne zeigt einen gepeinigten und gedemütigten Tell, der Rache schwört, aber auch weiss, dass er sich auf keinen einzigen Eidgenossen wird verlassen können, weil alle zu feige sind. Wohl deshalb wählt er die anonyme Tat und schiesst in der Hohlen Gasse hinter einem Strauch hervor.
Erwünscht wären deutlichere, teils auch stärker bildgestaltende Sprecher.